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"JESUS IM GOLDENEN PFEIL"


"JESUS IM GOLDENEN PFEIL"
Holger Johns Ausstellung
als Kommentar zum Kirchentag

"Jesus lebt," heißt es in der Einladung zur Vernissage, er sei dort, wo "über Gott und die Welt diskutiert" wird, nähmlich "in der Wohngebietsgaststätte"! Eine solche, mit gut 100 Jahren angeblich Dresdens älteste Kutscherkneipe, ist der "Goldene Pfeil" in der Rudolfsraße unweit des Neustädter Bahnhofs. Unter dem titel "Jesus im Goldenen Pfeil" präsentiert der Künstler Holger John dort an die 100 Handzeichnungen mit beziehungsreichen Unterschriften. Ob "Mohrrübe am Kreuz" oder "Jesus raucht", ob "Micky Maus, Schweißtuch" oder "Kleine Kreuzigung mit Hasen" - in all den Arbeiten vereint sich hellwacher Witz mit dem Können glückhafter Zeichenkunst. Holger John zeigt sich einmal mehr als Meister des pointierten Umgangs mit Fragwürdigkeiten des Alltags. Der flotte Strich des Künstlers zeigt die Bilderhelden orts-und zeitbezogen mals als Dynamo-Fan, mal im Zusammentreffen mit Bin Laden und Stalin, mal einäugig, dann im Schottenrock, rückt ihn die Nähe von Guantánamo, reduziert ihn dort zum Haupt des Jochanaan. Oder sollte es ein rudimentärer Holofernes sein, den Holger Johns eigenwillige Micky Maus dazum Abtropfen in der Hand hält? Dessen Mutter jedenfalls trifft Helga und trägt auch mal Burka. Manches ist ausdeutbar, alles ist anspielungsreich vieldeutig. Ein Nebenraum ist mit Brot und wein an einer gut gedeckten Tafel bestückt, wer will, kann ein limitiertes Plakat dieser ausstellung erwerben, auf dem ironisch interlektuell eine Menge alltäglicher Verlogenheit angezeigt wird. Die musikalisch unter anderem mit protestantischen Bach-Kompositionen eröffnete Schau wurde mit einer trefflichen Asprache von Boris Michael Gruhl eingeredet, in der kein Blatt vor den Mund des Pfarresrs in Ruhestand genommen wurde. "Prost Jesus, Prost John. Prost Goldener Pfeil," schloss die Laudatio. Das hatte eigens eine Abendmahl-Karte zusammengestellt und zeigt die wunderbare Ausstellung bis Ende Juni täglich von 10-24 Uhr.
M.E.

(Dresdner Neueste Nachrichten 4./5.Juni 2011)